Blütenpracht und schlaue Hühner: Mit Bildern von Rotraut Susanne Berner by Susanne Wiborg & Rotraut Susanne Berner
Autor:Susanne Wiborg & Rotraut Susanne Berner [Wiborg, Susanne & Berner, Rotraut Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Geschenkbücher, Weitere Anlässe & Themen, Natur & Pflanzen
ISBN: 9783956141614
Herausgeber: Verlag Antje Kunstmann GmbH
veröffentlicht: 2016-11-08T23:00:00+00:00
Herrlich, aber kratzbürstig: Weinrose
Zwei Sätze, die meinen Garten charakterisieren? »Es kommt meist anders als geplant« und, oft logische Folge daraus: »Die Letzten werden die Ersten sein«. Ein aktuelles Beispiel dafür liefert die robuste kleine Weinrose, die ich eigentlich nie hatte kaufen wollen. Als ich es dann doch tat, tat ich es spontan nicht etwa ihrer Blüten, sondern ihres Laubes wegen. Für eine Rose eher ungewöhnlich, aber ihr »Ich will mit!« war zu verlockend gewesen: Nachdem ich die kleine, umgekippte Kratzbürste im Pflanzenmarkt zum Wiederhinstellen angefasst hatte, war da plötzlich dieser herrliche Duft an den Fingern und in der Luft: ein bisschen Apfel, ein bisschen Rose, ein bisschen Zitrusfrucht und ein Schuss Wein, kurz: Sommer pur.
Was da beim bloßen Berühren so geduftet hatte, war das dunkle, unauffällige Laub einer Wein- oder Schottischen Zaunrose. Rosa rubiginosa ist so berühmt für das Sommerodeur ihrer Blätter, dass ich mehrfach in Gartenbüchern gelesen hatte, man solle sie deshalb möglichst dicht und in Hauptwindrichtung ans Haus pflanzen. Prompt geschah mir, was unsereinem angesichts einer verlockenden Pflanze eben geschieht: Die Gärtnerphantasie lief schnell voraus, und schon sah ich mein ganzes Revier von dem Paradiesduft umfächelt, den dieses Wildröschen schenken konnte. So robust, wie die struppige Kleine wirkte, würde sie sicher auch mit einem Platz in meinem vollgestopften Halbschatten klarkommen. Ich wäre schließlich schon mit ihrem Laub zufrieden, rekordverdächtig blühen musste sie nicht.
Sie kam also mit, obwohl mich schon der Name hätte warnen sollen: »Zaunrose« klingt nicht gerade nach einem Strauch mit kultivierten Umgangsformen. Dennoch pflanzte ich sie zunächst, ganz nach Anleitung, dicht an Haus und Hauptweg, um auf jeder Gartenrunde die Blätter zu streifen und den Duft zu genießen. Es kam dann – natürlich! – genau umgekehrt: Gestreift wurde bald ich, und zwar von den heckrosenartigen Kratzkrallen, mit denen die junge Halbwilde mir nachdrücklich klarmachte, dass sie solche Vertraulichkeiten wie Blätter-Angrabbeln überhaupt nicht schätzte. Die Weinrose musste also umziehen, bevor sie sich in eine militante Wegsperre verwandelte, und sie zog in die direkte Nachbarschaft der großen Rambler. Fortan konnte im Juni überhaupt nichts mehr schiefgehen: War zur Rosenzeit schönes Wetter, blühten die Giganten in schäumendem Überfluss. Regnete es mal wieder, duftete das feuchte Laub ihrer bescheidenen, meist übersehenen Nachbarin tatsächlich durch Haus und Garten. Wenn irgendetwas in der Lage wäre, mich mit nassen norddeutschen Sommern auszusöhnen, dann wäre das wohl der himmlische Duft dieser so unauffälligen Blätter nach jedem Schauer. Rosa rubiginosa war über Jahre hinweg eine Nebendarstellerin, die zwar nicht spektakulär aussah, ohne deren besonderen Reiz ich mir aber die Rosenzeit nicht mehr vorstellen konnte.
Es hätte gerne immer so weitergehen können, aber – siehe oben – es kam dann schon wieder alles anders: Der Winter entschloss sich, mehrere Jahre in Folge von norddeutsch auf arktisch umzuschwenken, und das war das Ende meiner großen Ramblerpracht. Einige froren zu Schatten ihrer selbst zurück, andere, wie der gewaltige, sanftgelbe Goldfinch waren mausetot. Für mich ein großer Kummer, für die Weinrose, die jahrelang in seinem Schatten gelebt hatte, ein ebenso großer Glückfall. Plötzlich ins Licht gerückt, trieb sie eine Saison lang fleißig, üppig und von mir kaum beachtet lange, überkippende Zweige wie eine Heckenrose.
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